Wisst ihr, was ich in 15 Jahren Medienproduktion für E-Commerce-Brands gelernt habe? Teams testen Headlines, Copy, Zielgruppen – aber immer mit der gleichen Handvoll Visuals.
Nicht weil sie es nicht wollen, sondern weil die Produktion einfach zu teuer war.
Das ändert sich gerade fundamental.
Die neue Realität
Erinnert ihr euch noch an euren ersten KI-Aha-Moment? Bei mir war es vor etwa drei Jahren, als ein Kollege KI-Bilder auf LinkedIn postete, die selbst ich als gelernter Fotograf nicht als solche erkannte. Generische Stock-Motive – glückliche Menschen, perfekte Lichtstimmung, technisch makellos. Genau die Bilder, die Banken, Versicherungen und Telekommunikationsanbieter für ihre Kampagnen nutzen.
Beeindruckend – aber für meine E-Commerce-Kunden irrelevant.
Denn was nicht funktionierte: ein konkretes Produkt konsistent reproduzieren und in verschiedenen Kontexten inszenieren. Die KI konnte generische Wohnzimmer erzeugen, aber nicht dieses spezifische Sofa aus dem Sortiment in verschiedenen Perspektiven darstellen.
Das ist jetzt anders.
Seit Google mit Nano Banana und andere Anbieter mit ihren Modellen nachgezogen sind, ist etwas möglich, das vorher nicht in dieser Form ging: Produkte aus neuen Perspektiven darstellen, ohne sie neu zu fotografieren. Neue Winkel, neue Settings, neue Kontexte – zu Kosten und in Zeiträumen, die vorher undenkbar waren.
Was das für Visual Testing bedeutet
Performance Marketing lebt vom Testen – nicht nur von Headlines, sondern auch von Visual Assets. Welches Bild zieht mehr Aufmerksamkeit? Welches Setting spricht die Zielgruppe an?
Statt fünf Assets können Marketing-Teams jetzt 20–30 für einen Bruchteil davon produzieren lassen. Ein Möbel-Onlineshop testet dasselbe Produkt in skandinavischem Wohnambiente, Industrial-Loft, Landhaus-Stil und Luxus-Interieur – vier verschiedene Zielgruppen, vier verschiedene visuelle Botschaften.
Saisonale Anpassungen? In Tagen statt Monaten. Das Outdoor-Möbel-Sortiment existiert im Sommer- und Herbst-Setting, ohne zwei separate Shootings.
Zielgruppen-Spezifität? Die gleiche Produktbotschaft, visuell aufbereitet für Gen Z versus 40+, deutscher Markt versus skandinavischer Markt.
Die unbequeme Wahrheit: Es ist kein Knopfdruck
Bevor jemand denkt "Super, das machen wir intern mit ChatGPT" – lasst mich ehrlich sein.
Man braucht zwei Fähigkeiten: Bildgestaltung (Komposition, Licht, Ästhetik) und KI-Kompetenz (die Tools so steuern, dass sie das Richtige liefern). Nicht jeder Versuch sitzt beim ersten Mal. Bei komplexeren Motiven stimmen manchmal Perspektiven, Schatten oder Proportionen nicht. Dann muss man auf klassische Tools wie Photoshop zurückgreifen. Brand Guidelines einzuhalten wird manchmal zur echten Herausforderung, denn allzu oft scheint es den KI-Tools einfach egal zu sein, ob man z.B. eine Hintergrundfarbe in RGB-Werten definiert.
Das ist der Unterschied zwischen "KI-Bildern erstellen" und "brand-konforme, verkaufsfähige Assets produzieren".
Wo es brillant funktioniert
Beispiel aus meiner Praxis: Ein Hersteller von Maschinen zur Fleischverarbeitung.
Das Problem: Die Realität in den meisten Fleischereien sieht nicht aus wie im Marketing-Prospekt. Niedrige Decken, Fliesen aus den 60ern. In Großbetrieben, wo die Umgebung passt, ist es fast unmöglich, die Produktion für ein Fotoshooting zu unterbrechen – Hygienevorschriften, Produktionsausfälle, logistischer Alptraum.
Die Lösung: Den Freisteller der Maschine nehmen und das idealisierte Einsatz-Szenario generieren. Professionelle Produktionsumgebung, perfektes Licht – in Tagen statt Monaten, zu einem Bruchteil der Kosten.
Weitere Szenarien:
- E-Commerce-Fashion: Gleiches Kleidungsstück in 15 verschiedenen Lifestyle-Kontexten für unterschiedliche Ad-Sets
- Möbel-Shops: Produkte in verschiedenen Einrichtungsstilen für unterschiedliche Zielgruppen
- Seasonal Campaigns: Sommer- und Winter-Settings ohne zwei separate Produktionen
Das sind Assets, die Performance Marketing Teams jetzt für ihre Testing-Strategien nutzen können – Assets, die vorher entweder gar nicht existiert hätten oder deren Produktion unwirtschaftlich gewesen wäre.
Die eigentliche Revolution
Die größte Veränderung ist nicht, dass KI fotorealistische Bilder erzeugen kann. Die größte Veränderung ist, dass die Ausrede "zu teuer, zu aufwendig, zu langsam" nicht mehr gilt.
Zum ersten Mal seit 20 Jahren E-Commerce ist die Produktion von Visual Assets nicht mehr der limitierende Faktor für Testing und Iteration.
Die Brands, die das verstehen und umsetzen, werden einen massiven Vorsprung haben. Die anderen werden weiterhin mit fünf Assets pro Quartal "testen" – und sich wundern, warum die Konkurrenz plötzlich so viel schneller ist.
Daniel Reinhold
Daniel Reinhold produziert seit 15 Jahren visuelle Inhalte für Marken und E-Commerce-Unternehmen. Als gelernter Fotograf verbindet er klassisches Handwerk mit KI-gestützter Produktvisualisierung.






